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Kambodscha 2 (Battambang, Phnom Penh und Kratie) 30.06.2004
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Wir sind heute unseren letzten (*sniff*) Tag in Kambodscha, morgen geht's auf nach Vietnam. In den vergangenen 10 Tagen waren wir in den Städten Battambang am Westufer des Tonle Sap Sees, in Phnom Penh, der quirligen Hauptstadt Kambodschas und im Provinznest Kratie im Osten des Landes. Wie Ihr Euch denken könnt, haben wir einiges erlebt. Von Siem Reap sind wir mit einem Bus auf dem National Highway 6, der Phnom Penh mit Siem Reap und der thailändischen Grenze verbindet, nach Battambang gefahren. Der Highway verdient diesen Namen keineswegs, er ist in einem unglaublich miesen Zustand, stellenweise ist er als Straße gar nicht mehr erkennbar. Das Überfahren einer Brücke ist jedes Mal ein Abenteuer für sich, sie scheinen zum Teil noch aus der französischen Kolonialzeit zu stammen. Eine zweistündige Pinkelpause ergab sich dadurch, dass sich am anderen Ende einer Brücke ein alter -und natürlich total überladener- russischer Kamaz-LKW festgefressen hatte. Diverse Bergungsversuche scheiterten, bis sie ihn schliesslich irgendwie rückwärts aus dem Dreck gezogen hatten. Inzwischen übertrafen sich zahlreiche Pickup- und Kleinbusfahrer in dem Spiel "Mal schaun, ob wir da durchpassen". Nach dem kambodschanischen Prinzip "Erstmal losfahren, wird schon irgendwie gehen" blieb auch keiner hängen, dass an dem festsitzenden LKW dadurch noch ein paar Blechteile mehr fehlten, störte auch keinen. Die Warterei wurde uns auch dadurch nicht zu lange, dass uns eine Gruppe Schüler rudimentäre Kenntnisse in Khmer beibrachten. Die Zahlen von 1-20 gehen jetzt, den Rest haben wir längst wieder vergessen. Nach 7 Stunden Fahrt sind wir dann in Battambang, Kambodschas zweitgrößter Stadt angekommen. Dass hier 150.000 Einwohner leben, glaubt man nicht so recht, das Stadtzentrum ist sehr überschaulich und es ist so ziemlich alles gut zu Fuß zu erreichen. Eigentlich wollten wir hier ein bischen die Umgebung erkunden, aber da Birte sich etwas schlapp fühlte, beschlossen wir, es nach den 4 Tagen Programm in Siem Reap etwas ruhiger angehen zu lassen. Auf einem Spaziergang durch die Stadt sind wir in ein Kloster reingelatscht und kamen gerade richtig zum Englischunterricht, der hier abgehalten wurde. Der Lehrer winkte uns direkt ran und wir haben uns eine Stunde lang mit ihm und den Mönchen über alles mögliche unterhalten. Boris wurde dann nach vorne an die Tafel gebeten, um ein bischen was über Europa und Deutschland zu erzählen, während Birte die hinteren 4 Reihen über das Familienleben in Deutschland (6 Jahre zusammenleben, nicht verheiratet, keine Kinder - *kicher*kicher*auweia*auweia*) aufklärte. In Battambang gibt es auffällig viele private Englischschulen. Wie wir erfahren haben, kosten die allerdings monatlich 5 US$, was sich viele Kombodschaner nicht leisten können. Viele Jungs gehen daher ins Kloster, um dort unterrichtet zu werden. Mit Vuth, einem der Mönche, verabredeten wir uns für den Nachmittag, er wollte uns das Kloster zeigen, in dem er wohnt. Auf dem Weg dorthin kamen wir durch ein sehr armes Stadtviertel von Battambang, durch das wohl sehr selten Ausländer (barang ist das Khmer-Wort) kommen. Trotz der Armut und der schlechten Lebensbedingungen waren die Leute auch hier total offen und nett zu uns. Vuth zeigte uns sein Wohnquartier, wo er mit einigen anderen jungen Mönchen lebt. Eine sehr bescheidene Holzhütte ohne Fenster, drinnen in den Zimmern jeweils ein Holzbett ohne Matratze, so leben wohl die meisten Mönche. Morgens um 5 wird aufgestanden und erstmal bis 10 Uhr meditiert. Dann geht es ans Spenden sammeln - schliesslich lebt auch der Buddhist nicht vom Geist allein - und dann in die Schule. Nach zwei Tagen Battambang ging es dann weiter nach Phnom Penh. Der National Highway 5, der am Südufer des Tonle Sap entlangläuft, war entgegen der Aussagen des Reiseführers in einem tadellosen Zustand, sodass wir die 5-stündige Busfahrt auf einer Pobacke absaßen. Phnom Penh erfüllt die Erwartungen an eine asiatische Großstadt: laut, staubig und wuselig. Wir schauten uns den 'Russenmarkt' an, auf dem es neben allem möglichen Ramsch und Souvenirkitsch auch 'echte' Markenklamotten und -rucksäcke gibt, die angeblich aus den Nähereien in Vietnam und Kambodscha geschmuggelt werden. Dann waren wir im Royal Palace, dem traditionellen Wohn- und Amtssitz des kambodschanischen Königshauses. Hier gibt es einigen Prunk zu besichtigen, der beeindruckt, obwohl die Roten Khmer ca. 60% der Schätze zerstört hatten. Zeugnisse aus einem anderen, sehr dunklen Kapitel der kambodschanischen Geschichte besahen wir uns in der Gedenkstätte S-21, einer früheren Grundschule, die von den Roten Khmer nach der Machtübernahme im Jahr 1975 in ein Konzentrations- und Folterlager umfunktioniert wurde. Bis zum Ende der Rote-Khmer-Herrschaft 1979 wurden hier 17.000 Menschen aller sozialen Gruppen bestialisch gefoltert und anschliessend zu den naheliegenden killing fields gebracht und exekutiert. Als die Vietnamesen Phnom Penh 1979 einnahmen, fanden sie lediglich 7 Überlende dieser Gräuel. Die Methoden der Roten Khmer erinnern streckenweise an die der Nazis, so auch der Drang, ihre eigenen Untaten penibelst zu dokumentieren. So fand man nach dem hastigen Abzug der Roten Khmer tausende von Akten und Fotografien der Opfer wie auch der Täter - meist junge Männer und Frauen, die leicht zu indoktrinieren waren. Wenn man die vielen Tafeln mit den Bildern hunderter Menschen mit leeren, angsterfüllten Blicken abschreitet, blickt man in die Gesichter hinter den ganzen abstrakten geschichtlichen Daten. Schätzungsweise zwei Millionen Kambodschaner fielen den Roten Khmer während ihres menschenverachtenden sozialen Experiments zum Opfer. Vor der Herzlichkeit der Menschen, der Schöheit der Landschaft und den beeindruckenden kulturellen Schätzen sollte man nie vergessen, was diesem Land und seinen Menschen in den letzten 30 Jahren alles angetan wurde. In die Wand einer der Gefangenenzellen in S-21 hatte jemand eingeritzt: "He who forgets history is destined to repeat it." Die Spätfolgen des sich anschliessenden jahrelangen Bürgerkriegs sind heute noch in Kambodscha an vielen Orten sichtbar: Minenopfer; Waisenkinder, die auf der Straße betteln; ganze Landstriche, die immer noch vermint sind. Laut Umfragen sehen 80% der Kambodschaner die weit verbreitete Korruption als eine der Hauptursachen für die extreme Armut im Lande. Viele internationale Hilfsorganisationen sind im ganzen Land aktiv. Weiterhin gibt es einige lokale Initiativen, die sich der sozialen Probleme im Land annehmen. Eines davon ist das Projekt Mith Samlanh, das sich um die Straßenkinder in Phnom Penh kümmert. Einerseits betreiben sie AIDS- und Drogenaufklärung und bieten mit Unterstützung von Ärzte ohne Grenzen Therapien an. Es wird geschätzt, dass ca. jedes sechste Straßenkind HIV-positiv ist. Andererseits ermöglichen sie vielen Straßenkindern durch Schul-, Sprach- und Berufsausbildung die Integration in die Gesellschaft. Mith Samlanh erreicht täglich 1800 Kinder durch ihre Arbeit. Wer mehr über das Projekt erfahren will, der kann sich die Homepage von Mith Samlanh anschauen. Wer nach Phnom Penh kommt, der muss auf jeden Fall ins Restaurant "Friends" gehen, das zum Projekt gehört. Hier gibt es das beste Essen der Stadt, gekocht und serviert von ehemaligen Straßenkindern. 7 Stunden Busfahrt auf einer nagelneuen Straße haben uns nach Kratie, einer Provinzhaupstadt am Mekong-Fluss gebracht. Hier kann man die letzten Exemplare der seltenen Süßwasserdelfine sehen, die es noch in Kambodscha gibt. Anonsten kann man nicht so viel unternehmen hier, und da diesmal Boris etwas rumgekränkelt hat, haben wir die drei Tage hier dazu genutzt, mal wieder eine Gang runterzuschalten und etwas auszuspannen. Einen Vormittag sind wir mit Fahrrädern durch die umliegenden Dörfer gefahren. Entlang der Dorfstraßen begrüßten uns unzählige Kids mit freudigem, schüchternem und aufgeregtem "Hello!"-Geschrei. Die Räder waren allerdings nicht von der bequemsten Sorte, sodass wir auf weitere Exkursionen dieser Art verzichtet haben. Vom Balkon unseres Hotels konnte man prima Sonnenuntergänge über dem Mekong beobachten. Für die Rückfahrt nach Phnom Penh haben wir uns für das Speedboat entschieden, das die Fahrtzeit zwar etwas verkürzte, leider aber keine romantische Flussfahrt war. Der Kahn hatte ziemliche Schlagseite und der Karaoke-Pegel unter Deck gab unseren Nerven den Rest. Dieses kleine Land mit seinen trotz aller Schwierigkeiten so herzlichen Menschen ist uns in den vergangenen 18 Tagen so sehr ans Herz gewachsen, so dass dies hoffentlich nicht unser letzter Besuch in Kambodscha war. |